Lesezeichen am Stück Nummer 14
Die Erkenntnis des Scheiterns
S. 350

Die markanten Felsen unter ihm wurden immer kleiner, so dass sie sich schon bald ins bergige Gesamtbild nahtlos einfügten. Zurück ließ er seinen Plan, sein so sorgfältig durchdachtes Vorhaben. Was er allerdings mitnahm, war die ernüchternde Erkenntnis, gescheitert zu sein. Ein Gefühl, das er bis hier her noch nicht gekannt hatte. Nicht von sich und auch nicht von irgendeinem anderen Drachen.

Seine Gedanken wirbelten durcheinander wie die Luft unter seinen riesigen Schwingen. „Was war dort unten gerade geschehen?“ All die Spielchen mit den Menschen, das Intrigieren, sie gegeneinander aufbringen, diente nicht etwa einem übergeordneten Zweck, sondern nur der eigenen Unterhaltung. Am Ende war es eh das Feuer, in dem all die Akteure ihr tragisches Ende fanden und zu Asche zerfielen, wenn ihre Rolle begann ihm überdrüssig zu werden. Aber dieses Mal? Das Feuer, seine zuverlässigste und garantiert tödlichste Waffe, hatte versagt. Hatte ihm den Gehorsam verweigert und ihn so zur Flucht gezwungen.

Zur Flucht? Wieder halte die schier unlösbar scheinende Frage in seinem Kopf. „Was war dort unten gerade geschehen?“ Noch nie ist ein Drache vor einem Menschen zurückgewichen. Jedoch war dieser anders. Er hatte eine Fähigkeit in sich, die seiner in nichts nachstand. Aber vor allem spürte er in dieser außergewöhnlichen Kraft eine irritierende Vertrautheit. Etwas, das er kannte als wäre es sein Eigen. Es war ja nicht das erste Mal, dass er einen Menschen vor sich hatte, der von Magie durchzogen war. Aber selbst die größten Zauberer verfügten nicht über so eine Macht. Eine Macht, in der er sich auf groteske Weise selber wieder erkannte und die auch noch so undurchdringbar war wie keine andere zuvor gesehene.

Einige dünne Wolken umhüllten ihn. Nahmen die Blicke, die er meinte noch immer auf sich zu spüren, als wäre er ein geschlagener, mit Entehrung gestrafter Feind, von ihm. „Was war dort unten gerade geschehen?“ Die Frage machte ihn rasend. Er spielte mit dem Gedanken umzukehren und einen erneuten Angriff zu fliegen. Einen aus dem Hinterhalt. Oder war es sicherer mit Verstärkung im Rücken zurück zu kehren? Das ganze Tal in Schutt und Asche zu legen, ohne noch einmal die direkte Auseinandersetzung mit dem Jungen zu suchen? Ratlos. Hilflos. Er kannte diese Gefühle erst kurz, hasste sie aber schon jetzt mit jeder seiner Schuppen. Die Verbitterung nahm überhand. Er setzte zum Sinkflug an. Seine messerscharfen Augen nahmen ein kleines, einsames Bauerngehöft war. Eines, das zu den freien Volk Umbrarus gehörte. Das war genau das, was er jetzt brauchte, um sich abzureagieren und sein geschundenes Selbstwertgefühl wieder seinem Stand in dieser Welt anzugleichen.