Lesezeichen am Stück Nummer 8
Pfeil und Bogen
4 Jahre vor Buchbeginn

„Heute ist dein dreizehnter Geburtstag, Akinna. Dein Vater und ich haben schon vor langer Zeit beschlossen, dass dies der Tag sein soll, an dem du etwas über dich und uns als, deine Eltern erfahren sollst.“ „Über euch und mich?“ Akinna sah von ihrem Geburtstagskuchen auf, eine klebrige Teigmischung gefüllt mit Nüssen und getrockneten Früchten. „Was gibt es denn da zu erfahren?“ „Ich wünschte nicht viel aber…“, ihr Vater setzte einen Blick auf der sich aus einem Teil Mitleid und einem wesentlich größeren, Unheil verkündenden, blassen Gesichtszug zusammen setzte. Nach einem unsicheren Blickwechsel zu seiner Frau fuhr er zögerlich fort. „… wir sind nicht …“, er nahm seine Augen von den ihren und richtete sie stattdessen kraftlos auf ihre verklebten Hände. „… wir sind nicht deine leiblichen Eltern.“ Für einen quälenden Augenblick schien niemand von ihnen mehr zu atmen oder gar noch zu kauen. Es war, als hätte das gerade gegebene Bekenntnis der Zeit solch ein Schrecken versetzt, dass sie zurückgewichen war und alles in ihrem Bann befindliche mit ihr.

Akinna würgte den Kuchenbrocken in ihren Mund herunter. „Die Form meiner Ohren“, begann sie leise, „die Fähigkeit mit ihnen besser zu hören als irgend ein anderer Mensch und die Begabung zu sehen, was für alle anderen Augen noch im Trüben versunken liegt, hatten mich natürlich schon vor langer Zeit zu dem Verdacht geführt, den ihr mir nun bestätigt habt. Aber dennoch…“, ihre Stimme verlor den Halt und sie senkte traurig den Kopf.

Die Frau, die sie seit je her mit Mutter ansprach stand auf und ging zu ihr, um sie so herzlich und tröstend in die Arme zu nehmen, wie sie es auch schon immer vor den gerade gesprochenen Worten getan hatte, wen es galt Kummer und dunkle Gedanken zu vertreiben.

„Sei nicht traurig, mein Schatz“. Ihre Stimme klang sanft und gutmütig. „Wer deine wirklichen Eltern auch sein mögen und welchen Grund es für sie gab dich nicht selber aufzuziehen, sind Fragen, die wir dir leider nicht beantworten können. Aber wie sie auch immer lauten mögen, für uns bedeuten sie, dass wir die großartigste und bezauberndste Tochter bekommen haben, die sich zwei Liebende nur wünschen können.“ Akinna sah sie an. Die beiden Menschen, die ihr, solange sie denken konnte, Geborgenheit und ein sicheres Heim gegeben hatten. Sie sah in ihre Gesichter, aus denen das Glück, dass gerade in Worte gefasst wurde, heraus strahlte.

„Eine gute Freundin von uns“, begann ihr Vater zu berichten, „brachte dich als Neugeborenes zu uns. Sie sagte seiner Zeit nur, dass sie sich nicht selber um dich kümmern könnte. Mit dir brachte sie auch einen feinen Seidenumhang und eine Waffe mit, die wohl deinen Eltern gehört hatten.“ Er stand auf und holte einen reich verzierten Bogen und einen Köcher randvoll mit Pfeilen von einer hohen Bordüre.

„Es ist eine sehr wertvolle, eine besondere Waffe. Angefertigt von den magisch begabten Händen der Elben.“ Fasziniert betrachtete Akinna den Bogen. Trotz dass er alt und morsch wirkte, schien er doch irgendwie besonders zu sein. Aber erst in dem Augenblick, in dem sie die fein geschnitzte Waffe berührte, offenbarte sich das Besondere. Das Holz gewann an Stärke, die Farben wurden kräftig und die Sehne spannte sich bedrohlich stramm. Der wahre Zauber jedoch, zeigte sich erst in seiner Vollendung, als Akinna das Metall einer der Pfeilspitzen berührte. Es schien, als umhüllte diese eine Art Diamantenstaub. Denn sie funkelte und leuchtete wie ein Stern am Nachtfirmament.